Verirrt
Ein Bachfloh flennt im Wasserklo
krebsbleich kaut er auf seinen Lippen
und scheuert sich die Außenrippen
am Porzellan und auch am Po.
Ihr fragt zurecht: „Was macht er da?“
Die Lage ist ja nicht ganz klar.
Das Kerlchen ist im falschen Ele
ment – jetzt geht’s ihm an die Kehle.
Vom tiefen blauen schönen Rhein
- ganz oben ist er wirklich rein -
da saugte ihn aus diesem Ort
die Trinkwasserversorgung fort.
Nun hockt er da in seiner Lache
und grübelt nach in dieser Sache,
es plätschert trüb, nur das ist klar:
es riecht sogar.
Es muffelt nicht, es stinkt wie Sau!
Die Jugend war ihm nie viel wert,
doch heute weiß er‘s sehr genau:
im Fluss war er noch unbeschwert.
Der Floh kratzt sich mit einer Tarse
am chitinösen Hinterköpfchen,
das Leben ist doch eine Farce
sitzt man nicht auf sondern im Töpfchen.
So flennt der Floh und schwimmt herum,
im Kreise ist das wirklich dumm,
gefangen ist er im Klosett,
er träumt vom weichen Algenbett.
Ein gelber Regen prasselt nieder,
der Floh erstarrt in allen Gliedern.
Er zuckt zurück vor dieser Taufe -
wird fast begraben von dem Haufe.
Und im Moment der größten Pein
drückt jemand ihm die Spülung rein:
Er stürzt, er taucht, er fällt, wird klein.
Und schafft den Weg zurück zum Rhein.
Traum des Farns
Mein Leben folgt dem Schatten im Wald
seit Pflanzengedenken, in Kohle geerdet,
von Sauriern verdaut, karbonbäumealt,
blütenlos träumend und zweifach gebärdet.
In kugligen Wiegen drängen sich
die Zwillingsheere der Sporenkrieger.
Schwer trägt der Arm, die Wedel biegen sich
unter der Last der unzähligen Kapselflieger.
Der Wind reißt meine Kinder hinfort,
Tausendlinge kreiseln in seinem Hauch,
sein Atem trägt weit und lässt sie erst los
am Ziel ihrer Reise, am neuen Ort.
Sie grüßen die Erde, den Schlamm und den Mist,
und nisten und warten und wachsen und zittern
zum hässlichen Wesen, prothallisches Wittern,
das kaum erst erzeugt schon Erzeuger ist.
Der Regen reißt seine Maske hinfort
und baut flüssige Brücken am trockenen Ort,
der Gamet schickt seine Samen ins Feld
und gebärt und erschafft eine grüne Welt.
So drängt das Rhizom, entfaltet die Blätter,
die Basis zuerst, zuletzt erst die Spitze,
die Sprosse empor ins Vorfrühlingswetter
und streckt sich hinaus in die feuchtwarme Hitze.
Mein Leben folgt dem Schatten im Wald
seit Pflanzengedenken, in Kohle gepresst,
von Menschen verbrannt gewähre ich Halt
und lade euch ein zum Farnwedelfest.
Angezählt
Das Jahr zählt
immer anders
wählt man Sekunden,
Tage, Wochen, Runden
und für die Ewigkeit ist’s eh nur Peanuts,
ein Häutchen Mesokarp,
nicht mehr.
Und dennoch füllt ein Menschenjahr
in meiner Brust ein Unikum
so schwer und voll wie Tausend Tage
geboxtes Mesozoikum.
Durch Kreide kämpfen müde Donnerwesen
in Bits und Bytes verwolkt sich unser Denken.
Wir kotzen lieber um die Wette,
damit das Konsumieren schneller geht.
Das Holozän ist tief gealtert,
ein Greis, den niemand pflegen mag,
die dürre Hand fällt zitternd ausgestreckt
ins All geleert und ausgedrückt.
Es kümmert
nicht
das Anthropozän
scharrt
mit den Klauen
auf seiner Mutter
Erde Haut.
Schreck-Sekunde
Ich mag das ruhige Lied der Schrecken,
ihr sanftes Locken aus den Hecken,
grad im Moment:
Ich höre nichts.
Nicht ganz nicht nichts,
doch oh kein Zirpen.
Nicht mehr am Meer
und nicht bei uns
im Sommer wo sie zahlreich hocken
und aus den Hecken trillernd locken
nur mich
nicht mehr.
Die Erinnerung ist noch da, das schon
(ein Glück? Es lässt sich kaum ertragen).
Allein die Jahre sägen, nagen
an der, an meiner Physiologie
und meißeln Löcher in die Zellen
versickert Lebensenergie,
gefleckte Haut zerfällt in Wellen,
der Schweiß tropft stinkend aus den Poren -
ich fühl mich selten neugeboren -
und jetzt noch das: kein Zirpen, Zirren, Schwirren mehr!
Nur eine Saite ist gerissen
schon stockt die ganze Symphonie,
fehlt nur ein Ton in diesem Weltenklang
so wird Wehklagen aus Gesang.
Und ist’s ein Ton nur, der ein X
in meine schöne Gleichung bringt,
die Last des Fehlens wird mir schwer,
wenn nichts mehr in den Ohren schwingt.
So hock ich zitternd nackt auf schwerem Boden
such den Kontakt zu luftgen Arthropoden
und klammre mich an dieses Wissen fest:
Noch bleibt mir ja der Augen-Blick,
im Hören tu ich mir halt schwer.
Ein Dröhnen hallt in meinen Ohren:
„Jung bist Du Mensch schon lang nicht mehr.“
Winterschlaf
Schlaff in den Seilen.
Ein Sparring-Partner chancenlos
hängen und würgen wir das Jahr
bis ganz ans Ende.
Es kommt immer
etwas dazwischen
und sei es so
auch nur das Kapitälchen
das wir hier nicht
wollen (Word sei Dank).
Mein Herz so still
ein Zucken ist es nur
von Muskelmasse noch
wie fest geschraubt hängt dort
im Brustkorb eine überreife
alte Frucht – es schlägt
von Zeit zu Zeit und Puls genug
für dieses Jahr.
Ein Prosit dunklen leeren Nächten
im Frost erstarrt der graue Wind,
ein Flüstern nur,
das unser Leben hält
und dieses träge müde Pochen würzt:
die Fantasie.
reizarm
gelüftet fast sphärisch veratmet
treiben die buchstaben durch die
atmosphäre – buch staben ist nicht mehr
der richtige begriff
selten noch finden sie ruhe
zwischen zwei blatt seiten
die worte flattern durch den wind
sie krallen sich mit silben
schwung ins lockre erdreich fest
wie wimpelchen auf einer torte
sie fallen um umleckt von lippen
ins ohr hinauf sie schnaufen
und finden diesen hörgang nicht
die worte hängen leise in der luft
transpirieren unsichtbar ihr wolkendasein
und segeln schlaff ins grab
des festen stiefel tritts – ach wie gerne
wären sie
emoticons
statt
worte